junge Welt28.07.2001»Reisende Gewalttäter«? Kleine Geschichte des schwarzen Blocks. Von Peter Nowak _________________________________________________________________
Zwei Wörter machten während der Proteste der Globalisierungsgegner gegen das G-8-Treffen in Genua in allen italienischen Zeitungen die Runde: schwarzer Block. Man fühlt sich zurückversetzt in die BRD Anfang der 80er Jahre. Auch damals sorgte der schwarze Block bei politischen Großveranstaltungen regelmäßig für heftige Diskussionen in den Medien und rituelle Distanzierungen in der BRD-Linken. Sogar in Lexika hat er es schon gebracht. »Schwarzer Block: Sammelbegriff für verschiedenste, nicht organisierte, militant-anarchistische Gruppierungen, die keine ausgesprochen politischen Ziele verfolgen«, heißt es in einem soziologischen Nachschlagewerk. Doch in der Regel wurde der Begriff als Kampfbegriff verwandt, mit dem linke Politik diskreditiert und Autonome als »reisende Gewalttäter« kriminalisiert werden sollten.
Als massenhaft wahrnehmbares Phänomen machte der schwarze Block erstmals Anfang der 80er Jahre bei den Protesten gegen den Bau der Startbahn-West für den Flughafen Frankfurt/Main Schlagzeilen. Auch bei den Anti- AKW-Protesten in Brokdorf, Gorleben und später Wackersdorf agierten einheitlich dunkel gekleidete Personen, meist in Ledermontur, die ihre Gesichter vermummten und sich teilweise gar mit einem Helm ausstaffierten. Nicht alle ihre Träger waren automatisch militant. Die Ausrüstung hatte einen praktischen Grund: Man wollte möglichst nicht durch individuelle Merkmale bei Demonstrationen auffallen und sich vor Kameras schützen. Dieses Schutzbedürfnis entstand aus den Erfahrungen, daß immer wieder Leute festgenommen und für tatsächliche oder fiktive Delikte zu empfindlichen Geld- oder Haftstrafen verurteilt wurden.
Doch der schwarze Block schützte nicht vor Kriminalisierung. Anfang der 80er Jahre ging die Bundesanwaltschaft mit dem Instrumentarium des Paragraphen 129a strafrechtlich vor. Demnach soll es sich beim schwarzen Block um ein staatsumstürzlerisches Unternehmen handeln. Allerdings scheiterte der Kriminalisierungsversuch hier wie bei ähnlichen Gruppierungen an der losen Struktur. Ohne feste Mitgliederstruktur konnten solche gesetzlichen Instrumentarien kaum fassen. Das besorgten dann die Verschärfung der Demonstrationsgesetze und das Vermummungsverbot. Tatsächlich war es seit Ende der 80er Jahre kaum mehr möglich, auf Demonstrationen behelmt aufzutreten. Eine Ausnahme bildeten die Demonstrationen der Autonomen Antifa/M in Göttingen, die noch bis Mitte der 90er immer einen schwarzen Block hatten, aber schon im Vorfeld erklärten, sich nur gegen Polizeiangriffe zu verteidigen. Linke Kritiker bezeichneten daher diese Demonstrationen als bloße Symbolik und Maskerade. Nach mehreren großen Strafprozessen gegen die Antifa/M verschwanden auch in Göttingen die Helme aus den Demonstrationsutensilien.
Schon zuvor gab es intern heftige Debatten über die Sinnhaftigkeit der schwarzen Blöcke. Vor allem Feministinnen kritisierten, daß hier Männerphantasien ausgelebt würden. Außerdem würde man sich so schon äußerlich von der übrigen Bevölkerung abgrenzen und sie niemals für die eigenen Ziele gewinnen können. Ein weiterer Kritikpunkt war die Anonymität der vermummten Akteure.
So stellte sich später heraus, daß sich hinter mancher Maske und unter manchem Helm auch Neonazis verbargen, die so unerkannt bei linken Demonstrationen mitmischten. Schon von Anbeginn wurde der schwarze Block mit Polizeistrategien in Verbindung gebracht, wobei die Behauptungen schnell einen verschwörungstheoretischen Charakter annahmen, wenn von einer zentralen geheimdienstlichen Steuerung die Rede war.
Unbestritten haben sich Zivilpolizisten im schwarzen Block bei verschiedenen Demonstrationen als Agent provocateurs betätigt, was mit Fotomaterial belegt ist. Doch das ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich sind auch andere politische Organisationen von Geheimdienstinfiltration betroffen, ohne daß diese in Gänze als Geheimdienstkonstrukte bezeichnet werden. Auch im Zusammenhang mit den Protesten in Genua wurde die angebliche Geheimdienststeuerung des schwarzen Blocks in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Von den Tute Bianche, die mit ihren weißen Overalls schon optisch einen Gegenpol zum schwarzen Block bilden, bis zu Gewerkschaften und Teilen der Berliner Autonomen reicht der Kreis der Schwarze-Block-Kritiker. Bei manchen Erklärungen fehlt die Differenzierung, wie sie die Stellungnahme von Dario Azzelini auszeichnet. Der in Berlin lebende Publizist erklärte in einem Interview mit Radio Z: »Zum einen ist wohl klar, daß man diesen schwarzen Block gar nicht als homogenen schwarzen Block betrachten kann. Es ist insofern auch klar, daß bei den Ereignissen in Genua sich an Aktionen, an militanten Aktionen, an Ausschreitungen nicht nur ein sogenannter schwarzer Block beteiligt hat, sondern auch andere Leute ... Andererseits ist aber offensichtlich, daß eine bestimmte Art von gewalttätigen Aktionen, nämlich kleine Geschäfte und Autos von Anwohnern in bestimmten Stadtvierteln anzuzünden, daß das nicht von linken Demonstranten ausging, sondern von eingeschleusten Polizisten, unter Umständen auch von eingeschleusten Nazis, wie La Repubblica geschrieben hat, denen angeblich die Polizei zugesagt haben soll, sie hätten dabei freie Hand.«
*** Buchtip: Almut Gross, Thomas Schultze: Die Autonomen - Urspünge, Entwicklung und Profil der Autonomen Bewegung. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1997 |