Telepolis12.09.2001 Wem gehört die Prinzhorn-Sammlung?
Peter Nowak
Betroffenengruppen und Antifaschistische Initiativen protestieren gegen die Eröffnung der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg
Ungewöhnliches ist zur Zeit auf der Homepage der Universität Heidelberg [0] zu sehen Beispielsweise eine Eselsgöttin mit einer Gekreuzigten von Johann Karl Genzel sowie ein Geldschein von Else Blankenhorn. Diese zwei Exponate gehören zu mehr als 6.000 Bildern, Skulpturen und Texten, die von Patienten verschiedener psychiatrischer Anstalten in der Zeit von 1890 bis 1930 hergestellt worden sind. Nachdem einige Exponate in der Nazizeit in die berüchtigte Ausstellung "Entartete Kunst" gewandert sind, waren sie jahrzehntelang in Kartons verpackt vor der Öffentlichkeit verborgen. Am kommenden Mittwoch soll die Ausstellung in einem extra umgebauten Pavillon am Heidelberger Universitätsgelände eröffnet werden.
Das Rahmenprogramm [1] umfasst bis zum 7.Oktober mehr als 50 Veranstaltungen und Kolloquien. Eine späte Erfolgsgeschichte könnte man denken. Schließlich haben Geschichtswerkstätten in den 70er Jahren die Ausstellung der Kunstwerke gefordert. Doch schon seit mehreren Jahren ist ein Streit über den Standort der Sammlung entbrannt ( Wem gehört die Prinzhorn-Sammlung? [2]), der bei der Eröffnung zu eskalieren droht. So ruft die Antifaschistische Initiative Heidelberg [3] zu Protesten auf. Sie spricht in einer Presseerklärung von einer "Verhöhnung der Opfer" durch die Präsentation in Heidelberg. Auch der Landesverband der Psychiatrieerfahrenen Berlin-Brandenburg [4] äußert eine ähnlich-grundsätzliche Kritik [5] am Ort.
Natürlich wollen auch die Kritiker, dass die Kunstwerke möglichst bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Doch sie schlagen dafür eine noch zu errichtende Gedenkstätte für die Euthanasieopfer in der Nazizeit vor. Sie soll in der Tiergartenstraße 4 in Berlin-Mitte ihren Platz finden, an der Stelle, an der die Nazis die Euthanasiemorde planten. Die Pläne für das "Haus des Eigensinns - Museum der Wahnsinnigen Schönheit" liegen fertig auf den Tisch. Allerdings hat sich der Berliner Senat noch nicht bereit erklärt, dass Grundstück zur Verfügung zu stellen. Der Sprecher für den "Freundeskreis Haus des Eigensinn", René Talbot, hofft optimistisch, dass es unter einer rot-grünen Landesregierung zu einem positiven Bescheid kommen könnte. Politiker der Grünen, der PDS und auch einige SPD-.Mandatsträger haben sich positiv zu den Plänen geäußert. Auch die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals Lea Rosh unterstützt die Pläne, für die Euthansieopfer ein Mahnmal zu errichten.
Die Prinzhornsammlung sollte dort ihr Domizil finden. "Wir wollen damit die Opfer ehren", meint René Talbot. Das sieht er bei dem Hedelberger Ausstellungskonzept nicht gewährleistet. Dort soll die Ausstellung schlicht den Namen "Sammlung Prinzhorn" tragen. Der Namensgeber Hans Prinzhorn hat als Arzt die Kunstwerke gesammelt. Für die Historikerin Bettina Brand-Claussen, die im Auftrag der Universität über die Prinzhornsammlung forscht, ist die Namensgebung unproblematisch: "Die Sammlung trägt den Namen Prinzhorns, weil dieser nach seiner erfolgreichen Sammeltätigkeit eine erste, noch heute beachtete Bearbeitung der Werke vornahm."
Ganz anders sieht es René Talbot: "Was Prinzhorn bekannt gemacht hat, ist die Plünderung der künstlerischen Werke psychiatrisierter Menschen für die Gründung eines psychopathologischen Museums. Dabei raubte er ihnen das letzte, was ihnen als Urhebern gehörte, ihre künstlerischen Werke." Die Kritiker verweisen auch darauf, dass Prinzhorn fanatischer Antisemit und Anhänger der völkischen Bewegung war. Er starb allerdings schon 1933, so dass er keine Rolle im NS-Regime mehr spielen konnte. Dafür wurde die Universitätsklinik Heidelberg unter den berüchtigten Professor Carl Schneider und Kollegen zu einem Zentrum der Euthanasie. Kein Ort, für eine solche Ausstellung, zumal diese Vergangenheit auch in Heidelberg nie wirklich aufgearbeitet wurde, meinen zumindest die Kritiker.
Sie werfen der Heidelberger Klinik vor, die Kunstwerke bis heute als Patientenkartei zu behandeln und so auch ihre Besitzansprüche auf die Exponate zu begründen. Nach den Vorstellungen der Betroffenenverbände sollten sie statt dessen an die Opfer und ihre Interessenverbände übergeben werden. Ob der Streit mit der Ausstellungseröffnung entschieden ist, muss bezweifelt werden. Wenn erst mal das Haus des Eigensinns in Berlin eröffnet ist, werden sich die Heidelberger kompromissbereiter zeigen müssen, glaubt René Talbot.
[0] http://www.uni-heidelberg.de/univ/museen/prinzh.html [1] http://idw-online.de/public/pmid-37465/zeige_pm.html [2] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7904/1.html [3] http://www.autonomes-zentrum.org/ [4] http://www.psychiatrie-erfahrene.de [5] http://www.psychiatrie-erfahrene.de/eigensinn/projekt.htm |