ND vom 10.09.01 Rechtsextremismus: Vergleichende Studien über Ländergrenzen hinweg Berliner Konferenz ermöglichte Begegnung zwischen Theoretikern und Aktivisten
Von Peter Nowak
»Grenzübertretungen – Umgang mit dem Anderen« nannte sich eine Konferenz, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Bundeszentrale für politische Bildung und ihrer holländischen Partnerorganisation IPP gemeinsam organisiert wurde und ein breites Spektrum von Themen berührte. Das Konzept des ›Neuen Feminismus‹ hatte nur wenige Jahre Bestand«, erklärte die an der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder lehrende Professorin Bozena Choluj. Doch sie sprach nicht etwa über die Frauenbewegung in Polen. Ihr Referat handelte von dem Mythos »Mutter Polin« im nationalistischen Diskurs des östlichen Nachbarlandes. In Polen wird vor allem mit Verweis auf die »Mutter Gottes« in klerikalreaktionären Kreisen ein rechten Feminismus propagiert, der gezielt die Frauen ansprechen soll. Der Beitrag Cholujs zeigte ebenso wie der Untertitel der Konferenz »Zu Rechtsextremismus, Migration, Geschlechterrollen in Polen, Tschechien und Deutschland«, dass sich die Veranstalter viel vorgenommen hatten. Schließlich würde jeder Einzelne dieser Unterpunkte genügend Stoff für eine Konferenz bieten. Die Einzelveranstaltungen zu den breit gefächerten Themen ermöglichten jedoch eine gründliche Auseinandersetzung im Detail. So rückte das erwähnte Referat von Frau Choluj die Vorstellung vom klerikalen Frauenbild doch etwas zu Recht. Das Thema »Frauen in der Rechten« wurde lange Zeit auch im wissenschaftlichen Bereich wenig beachtet. Das hat sich in der letzten Zeit zumindest für den west- und mitteleuropäischen Raum geändert. Die Vorstellung von den Frauen als Opfer der Rechten lässt sich danach nicht mehr halten. So untersuchte der Berliner Publizist Oliver Geeden die geschlechtspolitischen Vorstellungen der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich. Ins Zentrum hat die Partei die Familienförderung und da besonders den Kinderscheck gestellt, womit die Partei auch auf Zustimmung über ihr enges Wählerklientel hinaus stößt. Nicht immer jedoch gingen die Analysen so in die Tiefe. Das war besonders bei der mehrstündigen Podiumsdiskussion über die extreme Rechte in Polen, Tschechien und Deutschland der Fall. Statt an Hand von Ländervergleichen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der rechten Bewegungen zu erörtern, blieben die einzelnen Referate oft zusammenhanglos nebeneinander stehen. So untersuchte Ralf Ptak die Wirtschaftspolitik der extremen Rechten in Deutschland. Sein Fazit überraschte nicht: In den letzten Jahren hat die volksgemeinschaftliche Linie, wie sie vor allem bei der NPD und den Freien Kameradschaften propagiert wird, eindeutig die Oberhand gewonnen. Hier wird ein offener Bezug zu nationalsozialistischer Ideologie und kruder Antisemitismus propagiert. Die neoliberale Strömung in der Rechten hat zur Zeit an Einfluss verloren. Doch Ptak hält eine Fusion beider Strömungen durchaus für denkbar, weil in zentralen Fragen die Gemeinsamkeiten überwiegen. Eine gründlichere Debatte war nicht möglich, weil der nächste Redner sehr allgemein über die schlechte soziale Lage der Jugendlichen in Tschechien redete, und darin die Hauptursache für rechte Aktivitäten sah. Eine zumindest unter Rassismusforschern sehr umstrittene These. Neben der Präsentation der Referate gab es auf dem Kongress auch Raum für die Vorstellung von Projekten und Initiativen. So stellte das Flüchtlingsnetzwerk »Kein Mensch ist illegal« seine Arbeit vor. Das Berliner »FrauenLesbenBündnis ›Papiere für Alle‹« berichtete über die mehr als 10-jährige Arbeit mit in Berlin lebenden Frauen und ihren Kindern ohne Papiere. Es geht dabei vorrangig um die Finanzierung und Vermittlung von Wohnraum, Anwälten und Ärzten. Der Austausch zwischen Aktivisten und Theoretikern wurde von vielen Teilnehmern sehr begrüßt. »Hier wird das Modell der Volksuniversität wieder belebt, das ich in den 80er Jahren in Westberlin kennenlernte«, meinte eine Besucherin erfreut. |