junge Welt01.03.2001 Rainer Dittrich in akuter Lebensgefahr Kieler Justizministerium verweigert unbeaufsichtigten Arztbesuch _________________________________________________________________
Als »Angriff auf die körperliche Unversehrtheit und eine bewußte gesundheitliche Schädigung meines Mandanten« charakterisiert der Hamburger Rechtsanwalt Johannes Santen das Verhalten der von der grünen Ministerin Anne Lütkes geführten schleswig-holsteinischen Justizbehörden. Weil die einen unbewachten Arztbesuch seit Monaten verweigern, kann ein schweres Bandscheibenleiden des im Lübecker Gefängnis inhaftierten Rainer Dittrich nicht behandelt werden. Ein Bein ist schon taub, auch Sehstörungen haben sich bereits eingestellt. Santen befürchtet eine irreparable Gesundheitsschädigung, wenn die Behandlung weiter verzögert wird. »Dittrich hat nie einen Gefängnisbeamten tätlich angegriffen, hat sich aber immer wieder in Eingaben und Beschwerden gegen seine Haftsituation gewehrt. Dafür wird jetzt Rache genommen«, bewertet der Anwalt die harte Haltung des Ministeriums und der Gefängnisverwaltung. Eine derartige »Ablehnungsfront« habe er in seiner gesamten juristischen Praxis noch nicht erlebt, so Santen. Auch Solidaritätsgruppen machen sich zunehmend Sorgen um Dittrichs Gesundheitszustand. »13 Jahre Sonderhaftbedingungen gehen an keinen Menschen spurlos vorüber«, meint die Sprecherin Claudia Steinert und fordert Dittrichs Freilassung wegen Haftunfähigkeit.
Dittrich wurde 1987 wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt. In seiner Haftzeit hat sich Dittrich häufig für andere Gefangene eingesetzt. Er beteiligte sich an Solidaritätsaktionen für den in der Todeszelle sitzenden US-amerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal und an einem Hungerstreik zur Unterstützung des Widerstandes der türkischen Häftlinge gegen die Einführung von Isolationsgefängnissen.
Während die Solidaritätsbewegung für Dittrich hierzulande klein ist, gibt es im Ausland mehr Unterstützung. »Ich traf einen 44 Jahre alten gut informierten intelligenten Mann mit tiefverwurzelten humanistischen und linken politischen Überzeugungen«, charakterisierte der israelische Journalist und Friedensaktivist Hans Lebrecht den Gefangenen Rainer Dittrich nach einem Besuch in der JVA Lübeck.
Dittrichs politisches Engagement im Knast ist kein Zufall. Er stammt aus einer kommunistischen Familie in der DDR und ging im Jahr 1976 als Mitarbeiter des Ministerium für Staatssicherheit als »Kundschafter des Friedens« in den Westen.
Peter Nowak |