junge Welt24.02.2001 Warum war Ihr Prozeß nicht rechtsstaatlich? jW sprach mit Monika Haas _________________________________________________________________
Die in Frankfurt/Main lebende Monika Haas wurde im November 1998 zu fünf Jahren Haft wegen Unterstützung der »Rote Armee Fraktion« (RAF) verurteilt. Am Donnerstag wurde ihre Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil zurückgewiesen
F: Am Donnerstag hat das Bundesverfassungsgericht Ihre Beschwerde gegen Ihre Verurteilung zurückgewiesen. Warum?
Meine Anwälte hatten nach meiner Verurteilung, die im Februar 2000 von einer Revisionsinstanz bestätigt worden war, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die wurde am Donnerstag abgelehnt. Wir haben damit argumentiert, daß mein Verfahren keinen rechtsstaatlichen Kriterien entsprochen hat. Interessant ist, daß das Gericht die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen hat, daß es sich bei meinem Prozeß »gerade noch« um ein faires Verfahren gehandelt habe.
F: Worauf stützen Sie den Vorwurf der mangelnden Fairneß?
Der vermeintliche Nachweis meiner Schuld basiert ausschließlich auf anonymem Hintergrundmaterial, dessen reale Existenz für keinen der Prozeßbeteiligten nachvollziehbar war. Wir hatten nie die Möglichkeit zu überprüfen, ob es beispielsweise den anonymen »Zeugen« wirklich gab. Eine wesentliche Säule der Anklage waren Angaben, die ein in libanesischer Haft befindlicher Zeuge gegenüber BKA- Beamten gemacht haben soll. Vor Gericht konnte er aber nie befragt werden. Beweismaterial, das der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird, darf es in einem Rechtsstaat ebensowenig geben wie die Kronzeugenregelung. Mit solchen Instrumenten ist ein faires Verfahren noch nicht einmal ansatzweise gegeben.
F: Und diese Praxis wurde jetzt mit der Ablehnung Ihrer Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht gebilligt?
Dort wurde argumentiert, daß mich auch der Zeuge Book in der fraglichen Zeit in Bagdad gesehen habe und so die Angaben der anonymen Zeugen bestätigen würde. Das heißt, das Gericht stützt sich auf die Aussagen eines Mannes, der schon mehrmals nachweislich falsche Angaben gemacht hat.
F: Hat Ihr Urteil auch Bedeutung für zukünftige Verfahren?
Auf jeden Fall. Jeder Staatsanwalt kann sich künftig bei seiner »Beweisführung« auf anonyme Zeugen vom Hörensagen oder aber auf anonyme Unterlagen berufen, die er dem Gericht nicht mehr zur Überprüfung präsentieren muß. Das ist eine eindeutige Negierung rechtsstaatlicher Prinzipien und gibt der Anklagebehörde die Chance grenzenloser Manipulation in Strafprozessen.
F: Wegen Ihrer mehr als zweieinhalbjährigen Untersuchungshaft müssen Sie nicht mehr ins Gefängnis. Welche Konsequenzen hat das Urteil für Sie?
Ziemlich bittere. Ich habe inzwischen eine erste Teilrechnung der Prozeßkosten in Höhe von 180 690,15 Mark von der Bundesanwaltschaft bekommen. Die Rechnung für die Verfassungsbeschwerde konnte ich bisher noch nicht bezahlen. Bleibt es bei der Eintreibung der horrenden Prozeßkosten, wird für mich jede berufliche Perspektive tiefgreifend zerstört. Das heißt für mich lebenslängliche Armut.
F: Wie wollen Sie weiter gegen das Urteil vorgehen?
Der innerstaatliche Rechtsweg ist jetzt ausgeschöpft. Doch ich werde den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Dabei geht es, wie gesagt, nicht nur um mich.
F: Während Ihrer Untersuchungshaft gab es eine Solidaritätsbewegung für Ihre Freilassung. Wie sieht es momentan mit der Unterstützung aus?
Das »Forum für Monika Haas« hat eine Website eingerichtet (www.Monika-Haas.de), damit eine breite Öffentlichkeit regelmäßig über den aktuellen Stand der Entwicklung informiert werden kann. Dann benötigen wir ganz dringend Geldspenden, um meine Klage beim Europäischen Gerichtshof sicherzustellen. Möglicherweise ist der Hintergrund der finanziellen Strangulation, wie sie derzeit vorangetrieben wird, auch darin zu sehen, daß die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof blockiert werden soll.
Interview: Peter Nowak |