Junge Welt09.10.2001 Linke Altlast abserviert? Peter Nowak
Parteimitglieder solidarisieren sich mit Thüringer PDS-Landtagsabgeordneten Steffen Dittes
Ist Steffen Dittes noch innenpolitischer Sprecher der Thüringer PDS-Fraktion? Dittes selbst wähnt sich dieser Funktion enthoben, nachdem sich 13 Mitglieder der 16köpfigen PDS-Fraktion bei einer Sitzung vergangenen Donnerstag von ihrem Sprecher distanzierten (siehe jW vom Montag). Um eine Abberufung von seinem Posten habe es sich dabei nicht gehandelt, betonten Dittes Fraktionskollegen. Die Konsequenzen müsse er schon selber ziehen. Dittes müsse sich fragen lassen, ob er überhaupt noch in der Fraktion arbeiten wolle, da er sie doch ständig brüskiere, drückte sich der Thüringer PDS-Fraktionsvorsitzende Werner Busse aus.
Der Grund für das Zerwürfnis war eine schließlich verbotene Demonstration unter dem Motto »Es gibt 1000 gute Gründe, Deutschland zu hassen«. Die für den 2. Oktober geplante Demo – von einer linken Erfurter Gruppe organisiert und Dittes als Landtagsabgeordneter angemeldet – sollte am Vorabend der Einheitsfeiern auf Rassismus und Nationalismus in Deutschland hinweisen. Das von den Linken zuvor geplante »Fest für die Einheit der Menschen« am 3. Oktober in Erfurt war vom Oberbürgermeister Manfred Ruge mit der Begründung verboten worden, der 3. Oktober sei ein Fest der Deutschen. Für die Erfurter PDS war das kein Grund zur Empörung. Nur der auch in der außerparlamentischen Bewegung engagierte Dittes wollte mit seiner Demoanmeldung gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit für Linke protestieren. Nun hat er die eigene Partei gegen sich.
Diese dürfte sich allerdings mit dem erhofften geräuschlosen Abservieren verrechnet haben. In einem auch im Internet kursierenden Solidaritätsappell für Dittes fordern Gewerkschafter wie der stellvertretende Thüringer ver.di-Vorsitzende Angelo Lucifero und antifaschistische Initiativen aus Thüringen die PDS auf, »zu ihren gesellschaftskritischen Positionen zurückzukehren und gemeinsam mit ihrem innenpolitischen Sprecher Steffen Dittes und uns für eine demokratische Gesellschaft zu arbeiten, der das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein hohes Gut ist«. Auch innerparteilich regt sich Widerstand gegen die Kaltstellung des linken Kritikers. So schreibt die PDS-Abgeordnete im sächsischen Landtag Kerstin Köditz: »Auch wenn ich die Ansichten der Organisatorinnen und Organisatoren der Demonstration in vielen Punkten nicht teile, sehe ich hier die PDS in der Pflicht, Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger offensiv zu verteidigen. So hat sich Steffen Dittes dankenswerterweise verhalten«. Der Berliner PDS-Abgeordnete Freke Over äußerte sich im gleichen Tenor. Ob diese Stimmen in der Partei Gehör finden, muß bezweifelt werden. Denn die Fraktion könnte sich durch Dittes’ politische Ausschaltung bessere Bedingungen für die angestrebte SPD-PDS-Koalition nach den nächsten Wahlen in Thüringen erhoffen. |