junge Welt06.04.2001Dienstrechtsreform für Neoliberalisierung der Unis? junge Welt sprach mit Nicola Voelckel und Veronika Muhr _________________________________________________________________
* Nicola Voelckel ist Geschäftsführerin des Freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften (fzs), Veronika Muhr ist Mitglied im fzs-Vorstand
F: Die Bundesregierung plant noch in dieser Legislaturperiode eine Dienstrechtsreform für die Hochschulen. Was sind die Hintergründe dieses angestrebten Gesetzes?
N. Voelckel: Um die »Leistungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit unserer Hochschulen zu stärken«, haben die rot-grüne Koalition im Koalitionsvertrag und Bildungsministerin Edelgard Bulmahn die umfassende Reform des Dienstrechtes, das noch aus dem letzten Jahrhundert stammt, versprochen. Eine von Bulmahn eingesetzte »Expertenkommission« hat im April 2000 einen Bericht vorgelegt. Am häufigsten in der Diskussion um die Reform wird die Einführung von »Juniorprofessuren« genannt, die z. B. keine Habilitation voraussetzen, zu einer Verjüngung des Lehrpersonals führen sowie Nachwuchswissenschaftler von der Abwanderung ins Ausland abhalten sollen. Ein zweites Kernthema ist die Einführung leistungsbezogener Besoldung - mit der würde die Senkung der professoralen Grundgehälter einhergehen, denn oberste Prämisse für die Reform ist Kostenneutralität. Die Reform droht, wie auch schon die Bafög-Reform, zu scheitern bzw. als Minireförmchen zu enden.
F: In der vergangenen Woche haben über 3000 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter in einer Anzeige in der FAZ gegen diese Dienstrechtsreform protestiert. Wollen sie die Allmacht der Professoren retten?
N. Voelckel: Wir können nicht beurteilen, inwieweit alle diese Professoren Allmachtsphantasien haben. Sie verteidigen aber ganz sicher den Status quo des professoralen Berufsstandes, der ja auch sehr üppig ist. Professoren werden kaum kontrolliert, haben sehr wenig Pflichtstunden, an denen sie arbeiten müssen, und können in einem sehr weit gefaßten Rahmen selbst entscheiden, was sie lehren und forschen wollen. Sie sind quasi ihre eigenen Chefs und so gut wie unkündbar. Sie wollen an dem, wie sie in der Anzeige schreiben, »bewährten Assistentenmodell« festhalten und wehren sich gegen die Kürzung der Grundgehälter - das klingt schon schwer nach Verteidigung von Pfründen.
F: Neben diesem Aufschrei von konservativer Seite gab es auch von studentischer Seite Kritik an der angestrebten Dienstrechtsreform. Was sind aus der Sicht des Freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften (fzs) die Hauptbedenken?
V. Muhr: Für den fzs gehört unabdingbar zum Gelingen der Reform eine umfassende Demokratisierung der akademischen Selbstverwaltung und eine tiefgreifende Studienreform hin zu einem projektorientierten, selbstbestimmten Studium. Langfristiges Ziel muß eine komplette Neustrukturierung sein, die einher-geht mit der vollständigen Abschaffung aller Gruppen und Hierarchien, was in letzter Konsequenz auch die Unterscheidung von Lehrenden und Lernenden auflösen würde. Sehr problematisch an den gegenwärtigen »Reform«bestrebungen ist für den fzs, daß diese eher noch zu einer weiteren Öffnung der Schere zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen führen wird. Der akademische Mittelbau übernimmt heute bereits viele Aufgaben der Lehre, die den Studierenden zugute kommen - Studienberatung und -betreuung und wichtige Lehrveranstaltungen beispielsweise.
Die Arbeitsverhältnisse des Mittelbaus scheinen mit der Reform noch prekärer zu werden - indem Befristungen und Splittungen noch vorangetrieben werden. So werden 90000 wissenschaftliche Beschäftigte des Mittelbaus von dieser Reform nichts haben - und in der Folge die Studierenden, deren Lernbedingungen überwiegend vom Mittelbau abhängen, auch nicht. Die Reform wird also zu keiner Verbesserung der Lehre führen. Fragen wie die Verbesserung der Lehr- und Lernbedingungen sowie der Qualität der Lehre werden durch die Diskussion um die Reform nur am Rande berührt.
F: In welchem Zusammenhang steht die Reform mit der neoliberalen Zurichtung der Hochschulen?
V. Muhr: Die Reform ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Der Bericht der Expertenkommission enthält sich jeder gesellschaftlichen Analyse und argumentiert mit Wettbewerbs- und Standortlogik. Die Reform zielt in keiner Weise auf eine Verbesserung der Lernbedingungen, im Gegenteil. Diese Reform ist ein Baustein auf dem Weg hin zur Ausrichtung der Hochschulen an Markt- und Standort-Deutschland-Interessen. Sie wird schlechte Effekte haben: Die weitere Marginalisierung der studentischen Themen wie Mitbestimmung, Abbau patriarchaler Strukturen und Qualität der Lehre.
F: Droht nach dem konservativen Professorenprotest eine weitere Verwässerung zu Lasten der Studierenden bei dieser Reform ?
N. Voelckel: Die Frage ist, inwieweit da noch etwas verwässert werden kann. Die Reform war nie zur Studentenbeglückung gedacht. Und was wird von einer Studentenorientierung von Professoren zu halten sein, wenn diese dies aus Furcht machen, den Job zu verlieren oder weniger Geld zu verdienen? Von mehr Mitbestimmung, selbstorganisierten studentischen Projekten oder auch nur besserer Betreuung der Studenten ist eben bei der Reform nicht die Rede. Zu hoffen bleibt, daß die relativ positiven Aspekte der Reform wie die perspektivische Abschaffung der Habilitation und der Abhängigkeit von Postdoktoranden von einzelnen Professoren erhalten bleiben.
Interview: Peter Nowak |