junge Welt19.04.2001Braune Flecken im roten Suhl Seit einigen Monaten häufen sich Neonaziaktivitäten in Südthüringen _________________________________________________________________
»Im tiefen Walde die rote Stadt - die ein zerschossenes Rathaus hat.« Dieser Spruch prangt auf dem restaurierten Suhler Rathaus und erinnert an längst vergangene revolutionäre Zeiten vor fast 80 Jahren. Doch auch heute noch genießt die südthüringische Kleinstadt den Ruf, eine linke Stadt zu sein. Im Unterschied zu vielen anderen Gegenden in Thüringen existierte in Suhl lange Zeit keine organisierte Neonaziszene. Doch das scheint sich zu ändern. Wie in der Region aktive Antifaschisten berichten, haben rechte Aktivitäten in Suhl und Umgebung in der letzten Zeit erheblich zugenommen.
Bundesweite Schlagzeilen machte am 10. März ein rassistisch motivierter Übergriff auf einen palästinensischen Flüchtling in Suhl. Obwohl der Vorfall von vielen Passanten beobachtet wurde, gibt es noch immer keine konkreten Zeugenaussagen. Als einziger Zeuge steht bisher ein Busfahrer zur Verfügung, der auch die Polizei und den Krankenwagen alarmierte. Für die Polizeiinspektion Suhl hatte die Tat keinen politischen Hintergrund. Sie beruft sich dabei auf die Aussagen der mutmaßlichen Tätergruppe, die behauptete, von ihrem späteren Opfer angerempelt worden zu sein.
In einer Schule des Suhler Stadtteils Aue wurde kürzlich ein elfjähriger Junge kubanischer Abstammung mehrfach Opfer rassistischer Gewalt. Die deutsche Mutter des Jungen erstattete daraufhin Anzeige. Die vierzehnjährigen Täter waren bereits wiederholt wegen ähnlicher Delikte aufgefallen. Die Schule reagierte mit einem vierwöchigen Schulverbot. Das Opfer leidet unterdessen immer noch an schweren Angstpsychosen.
Mehr Engagement als bei der Verfolgung rechter Schläger zeigt die Suhler Polizei offenbar bei schikanösen Personenkontrollen von Flüchtlingen. So werden nach Angaben von Suhler Antifaschisten gezielt Bewohner der Zella-Mehliser Flüchtlingsunterkunft kontrolliert. Obwohl die Unterkunft in unmittelbarer Nähe des Suhler Ortseingangs liegt, dürfen die Flüchtlinge wegen der sogenannten Residenzpflicht die Stadt nicht betreten. Das gefällt auch der rechtsradikalen Deutschen Volksunion (DVU), deren Thüringer Landespressesprecher Kurt Hoppe per Leserbrief in einer regionalen Tageszeitung das Vorgehen der Polizei lobte und vor journalistischen »Sebnitzzuständen« warnte.
Dabei war gerade die Kleinstadt Zella-Mehlis in der letzten Zeit ein Hort brauner Aktivitäten. Ein Brandanschlag auf die Flüchtlings-Gemeinschaftsunterkunft der Stadt konnte bisher noch nicht aufgeklärt werden. Obwohl laut Polizei immer noch jeder Hinweis auf die Täter fehlt, wird von ihr wie üblich ein politisch motivierter Hintergrund ausgeschlossen. Schon Ende Februar wurde ein 19jähriger Punk in der Nähe des Zella- Mehliser Bahnhofs von Rechten angegriffen. Das Opfer erlitt Prellungen, Platzwunden und Gesichtsverletzungen. Während rechte Täter oft nicht ermittelt werden, zeigt die Justiz auch in Zella-Mehlis gegen links erheblichen Verfolgungseifer. In Kürze sollen zehn Jugendliche wegen einer Straßenschlacht, die sich im März 1999 in Zella-Mehlis im Anschluß an ein Fest ereignet hat, wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung vor Gericht stehen.
Peter Nowak |