junge Welt03.04.2001Gepflegter Aufstand Der Salonantikapitalismus treibt seltsame Blüten - die »NoLogo«-Bewegung zum Beispiel _________________________________________________________________
Die Antiglobalisierungsbewegung hat zwar kein Programm, dafür aber ein paar Charakterköpfe, die weltweit erfolgreich vermarktet werden: ein echter Chartbreaker ist der maskierte Subcomandante Marcos aus Südmexiko, in den Hitlisten gefolgt vom französischen Bauernaktivisten Bové. Seit einigen Wochen ist Naomi Klein den beiden auf den Fersen. Seit ihr Bestseller »NoLogo« in deutscher Sprache beim Bertelsmann- Verlag erschienen ist, tourt die kanadische Autorin durch die Republik und zieht die kritischen Massen an.
Die britische Times ernannte Klein zur »wohl einflußreichsten Person der Welt unter 35«. Der Observer bezeichnete ihr Buch als »>Das Kapital< der wachsenden Antiglobalisierungsbewegung«. Und der Hamburger Unternehmensberater Holm Friebe benennt in einem umfangreichen taz-Beitrag die Ursachen dieses Erfoles: »Dabei kommt Klein - bei aller Parteilichkeit und spürbaren Sympathie für den linken Kern dessen, was sie beschreibt - ganz ohne ideologischen Ballast aus. Obwohl Marx' These vom >Fetischcharakter der Ware< einen schönen Anknüpfungspunkt für Kleins These von der >Tyrannei des Brandings< böte, kommt der Verweis im Buch nicht einmal vor.«
Schließlich soll ja niemand gelangweilt werden. Wirklich niemand: In Berlin konnte man beobachten, wie Klein ihre Performances fein auf die unterschiedlichsten Szenen abstimmt: Im Mehringhof scharte sie eine illustre Schnittmenge aus Autonomen, Kulturlinken, Punks, Medienguerilleros und Feministinnen um sich. Und einen Tag später referierte sie im Rahmen der Berliner Schaubühne unter dem Motto: »Die Emanzipation der Konsumenten zum Weltbürger«. Der Titel läßt es erahnen: hier traf sich eine liberale Kulturschickeria mit viel Geld und Moral. Beides soll behalten und gemehrt, muß also irgendwie kompatibel gemacht werden. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt wurde so der politisch korrekte Kunde kreiert, der sich nicht mehr nur dafür interessiert, woraus die teuren Markenprodukte hergestellt werden und wie lange sie halten, sondern außerdem eben, von wem sie unter welchen Bedingungen produziert werden. Dringender als die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Geknechteten war dabei natürlich die Beruhigung des eigenen Gewissens.
In der »NoLogo«-Kampagne wird auf solche Nullvokabeln wie Konsumentenmacht und Zivilgesellschaft zurückgegriffen. Politischer Druck soll gemacht werden. Und zwar mit veränderter Taktik: In erster Linie sollen nicht die Konzerne und ihre Produkte, sondern die Marken angegriffen werden. Dahinter steht die richtige Beobachtung, daß die Bedeutung dieser Logos in den letzten Jahrzehnten ungeheuer gestiegen ist. So läßt sich heute tatsächlich fragen: Was ist der Verlust einer Fabrik gegen die symbolische Vernichtung einer Marke? Schließlich lassen sich die Marketingabteilungen der Konzerne das Produzieren von Images Millionen kosten. Die Nasen vorn haben dabei Sportkonzerne wie Nike, Adidas und Reebock. Ihr PR-gesteuertes Image unter den Jugendlichen aller Länder garantiert die ständig steigenden Gewinne. Da ist es nur konsequent, den Konzernen auch auf diesem Feld Paroli zu bieten.
Doch müßte eine solche Strategie wohl aus komplexeren Schritten bestehen als dem einfachen Ersetzen von Nike- Logos auf Jacken oder T-Shirts durch eben ein Riot-Logo - das hat mehr was mit Zeitgeist und Hype zu tun. Eine linke Bewegung, die es lediglich auf diese Art mit den Großkonzernen aufnimmt, wird wohl in kürzester Zeit integriert sein. Schließlich hat die Werbung längst schon die Provokationsstrategie für sich entdeckt. Was mit den vieldiskutierten Benetton-Plakaten begann, ist heute beim toten Andreas Baader angelangt, der als Werbeträger für Schuhe herhalten muß. Das hätte keine »NoLogo«-Kampagne besser inszenieren können.
Welches Potential eine »NoLogo«-Kampagne haben könnte, die mehr als den eigenen Hype inszeniert, wird an einem ganz harmlosen Fall klar, der sich vor einigen Monaten in den USA zugetragen hat. Nachdem Nike als besonders werbeträchtigen Gag Schuhe offerierte, auf die man sich in der firmeneigenen Schrift einen Begriff seiner Wahl als individuelles Logo drucken lassen konnte, wählte ein Kunde den Begriff »Sweatshop« aus und jene Firmenangestellten, die mittlerweile fast das gesamte linke Begriffsarsenal in die Sprache der Werbung überführt haben, verweigerten seinen Auftrag mit den aberwitzigsten Begründungen. Der Name jener Schwitzbuden, in denen nicht nur Nike-Produkte hergestellt werden, scheint sie nervös zu machen. Ein vielversprechendes Indiz dafür, daß man, um einem Image zu schaden, eben ganz einfach von den Produktionsverhältnissen reden muß. Man kommt damit dann sicher sehr viel weiter als die Salonantikapitalisten der »NoLogo«-Kampagne.
Peter Nowak
*** Naomi Klein: »NoLogo«. Bertelsmann Verlag, München 2001, 480 Seiten, DM 48 |