Frankfurter Rundschau 20.07.01Wer zuerst kommt . . .
Humboldt-Universität prescht mit Juniorprofessoren vor
Von Peter Nowak
F ür Mut zum Risiko entschied sich der Akademische Senat der Berliner Humboldt-Universität (HU) Mitte Juni als er einstimmig bei einer Enthaltung die Ausschreibung von rund 30 Juniorprofessuren beschloss. Bereits anlässlich des Tages des wissenschaftlichen Nachwuchses am 31. Mai hatte HU-Präsident Jürgen Mlynek angekündigt, dass die HU als erste deutsche Hochschule dieses Pilotprojekt in Sachen Nachwuchsförderung starten werde. Der universitätsinternen Unterstützung hatte er sich schon in einem monatelangen Diskussionsprozess versichert.
So war es denn auch keine Überraschung, dass der Beschluss im Akademischen Senat ohne Gegenstimme und mit nur einer Enthaltung abgesegnet wurde. Auf diese Geschlossenheit legt die Universitätsverwaltung großen Wert. Schließlich betritt sie mit diesem Pilotprojekt gesetzliches Neuland. "Wir versprechen uns davon, herausragende Nachwuchswissenschaftler zu gewinnen und den Grundstein für exzellente Berufungen in den kommenden Jahren zu legen", umreißt Daniela Voss vom HU-Präsidialamt gegenüber der FR die Vorteile, die sich ihre Einrichtung durch die mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Kultur abgesprochenen Initiative verspricht.
Die Entscheidung sei allerdings nicht frei von Risiken, räumt Voss ein. "Wir wissen nicht, wann die Dienstrechtsreform gesetzlich geregelt wird." Je länger das dauert, desto ungewisser ist die Perspektive der neu eingestellten Wissenschaftler. Zunächst sollen die Juniorprofessoren für die Dauer von drei Jahren beschäftigt werden. Nach positiver Evaluierung der Leistungen in Lehre und Forschung ist eine einmalige Verlängerung um weitere drei Jahre möglich. Die Beschäftigung erfolgt nach den Maßgaben des Beamten- oder Angestelltenverhältnisses auf Zeit.
Nach der gesetzlichen Einführung der Juniorprofessuren sollen die Wissenschaftler in die neue Kategorie übergeleitet werden. Eine entsprechende Regelung soll von der Wissenschaftsverwaltung in die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes eingebracht werden. "Wir schaffen hier rechtliche Konstruktionen auf kommende Regelungen. Sollten die bald verabschiedet werden, funktioniert alles bestens", meint der Personalratsvorsitzende des Hochschulbereichs an der HU, Rainer Hansel. Sollte sich die Verabschiedung des Gesetzes allerdings verzögern, sieht Hansel tarifrechtliche Probleme auf die Universität zukommen.
"Dann könnte die paradoxe Situation entstehen, dass die Juniorprofessoren schlechter gestellt sind als ganz normale wissenschaftliche Mitarbeiter." Hier sieht der Personalvertreter noch Gesprächsbedarf mit der Univerwaltung. Im Notfall will er auch gerichtliche Klärungen nicht ausschließen. Es bestehe allerdings nicht die Absicht, das Pilotprojekt Juniorprofessuren zu stoppen. Denn grundsätzlich sehe man die Pläne positiv, betont Hansel. Detailkritik bei grundsätzlicher Zustimmung äußert auch Marcus Pflaum. Der Mathematiker vertritt den Mittelbau im Akademischen Senat der HU. Der habe schon vor mehr als drei Jahren die Diskussion um die Einrichtung von Assistenzprofessuren in dem Gremium der HU angestoßen und sei damals auf große Widerstände der Dekane gestoßen.
Am aktuellen Projekt kritisiert Pflaum den Jugendlichkeitswahn, der sich für ihn schon im Namen Juniorprofessur ausdrückt. Das Problem sei nicht der fehlende Nachwuchs, sondern das fehlende Stellenangebot. Ein weiterer Kritikpunkt von Pflaum ist die Kostenneutralität der Regelung. Ein Beitrag zum Abbau der Akademikerarbeitslosigkeit sei das nicht, weil lediglich bestehende Stellen umgewandelt, aber keine neuen geschaffen werden. Daher hätten viele Professoren die berechtigte Sorge, ihre Assistenten zu verlieren, wenn sie jetzt auf freiwilliger Basis Stellen für die Juniorprofessuren zur Verfügung stellen.
Auch die studentischen Vertreter sind über die konkrete Ausgestaltung des Pilotprojekts nicht begeistert. Nur mangels Alternative und um dem Mittelbau nicht in den Rücken zu fallen, habe man im Akademischen Senat nicht gegen das Projekt gestimmt, erklärt Daniel Arpelt das zustimmende Abstimmungsverhalten der vier studentischen Vertreter. Arpelt hatte sich als einziges Senatsmitglied bei der Abstimmung enthalten. Fundamentalere Kritik äußert Daniel Kretzschmar, der für Hochschulpolitik im HU-Referentenrat, wie der ASTA an ostdeutschen Universitäten heißt, zuständig ist. "Das Projekt der Juniorprofessuren, wie es jetzt für die HU beschlossen wurde, produziert schlecht bezahlte Wissenschaftler ohne Arbeitsplatzgarantie", lautet sein harsches Verdikt.
Doch praktische Folgen für die studentische Politik kann sich auch Kretzschmar nicht vorstellen. "Die Debatte um die Dienstrechtsreform ist für die große Mehrheit der Studenten überhaupt kein Thema und auch unter den studentischen Aktivisten ein Stiefkind," klagt der gewählte Studentenvertreter. So muss die HU-Verwaltung nur hoffen, dass die Dienstrechtsreform noch in dieser Legislaturperiode verabredet wird. Davon ist die Stellvertretende Pressesprecherin des Bundesbildungsministeriums gegenüber der FR überzeugt.
Der HU-Entscheidung wird Signalwirkung zugesprochen. Es wird damit gerechnet, dass weitere Universitäten - wie Marburg und Göttingen - mit der Ausschreibung von Juniorprofessuren beginnen. |