Telepolis vom 9.11.01 Anstatt Eventhopping global dezentrale Aktionen
Peter Nowak
Der Global Action Day am 10.November setzt auf Masse statt auf Inhalt
Am kommenden Samstag ist es wieder mal soweit. Von Argentinien bis nach Indien, von Südafrika, Australien bis nach Israel werden Menschen auf die Strasse gehen. Globalisierungskritiker haben schon vor Monaten den 10.November zum Global Action Day [1]erklärt. Der unmittelbare Anlass ist die in dem arabischen Kleinstaat Qatar tagende Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) ( [2]WTO-Treffen: Grüße in die Wüste).
Nach den teilweise mit militanten Aktionen verbundenen Protesten gegen ähnliche Treffen in Nizza, Prag und Genua haben die politisch Verantwortlichen extra einen Tagungsort in der Wüste gewählt, wo nur zur WTO-Konferenz geladene Gäste nebst einigen handverlesenen Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGO) Zutritt haben. So können die WTO-Vertreter ungestörter tagen.
Allerdings haben findige Protestler doch Wege gefunden, selbst hier präsent zu sein. So ankert ein Greenpeace-Boot im Hafen von Katar. und auch der alternative Nachrichtenpool [3]Indymedia will in der Wüste mit einem eigenen Sender präsent sein. Doch die überwiegende Mehrheit der Protestbewegung handelt dieses Mal nach der Devise "Global Denken - lokal Handeln" und konzentriert sich auf dezentrale Aktionen in allen fünf Kontinenten.
Die Aktivisten können dem sogar etwas Positives abgewinnen. "Wir haben schon lange das Reisen von Gipfel zu Gipfel als Eventhopping kritisiert", meinte eine Berliner Aktivistin. Seit dem von massiven Protesten begleiteten WTO-Treffen von Seattle im Herbst 1999 gab es mehrere weitere [4]internationalen Aktionstage). Doch so breit gestreut wie am 10.November, waren die Aktionen noch nie. Auch einen [5]Gegenkongress zum WTO-Treffen gibt es. Er tagt schon seit mehreren Tagen in der libanesischen Hauptstadt Beirut.
Die Themenfelder, gegen die sich der Protest am 10.November richtet, sind mannigfach. Vor allem in Asien, Australien und Afrika steht der Protest gegen das WTO-Treffen im Mittelpunkt der Proteste. In den USA und Europa haben die Aktivisten den Widerstand gegen den Krieg in Afghanistan in den Mittelpunkt ihrer Agitation gestellt. Auf einer Pressekonferenz in Berlin wurde von einer Verbindung zwischen Friedensbewegung und Globalisierungskritikern gesprochen. Protestkoordinator Sascha Kimpel räumte aber auch ein, dass es sich hier um unterschiedliche politische Generationen und Kulturen handeln, was eine Zusammenarbeit nicht immer einfach macht.
Allerdings war die Verbreiterung der Bewegung auch auf der Pressekonferenz festzustellen. So hat sich erstmals auch der Deutsche Gewerkschaftsbund am Aktionstag [6]beteiligt. In dem DGB-Aufruf wird allerdings der Schwerpunkt auf eine sozialere Version der Globalisierung gelegt. Da trifft man sich mit dem Netzwerk [7]Attac, dass auf seinem gut besuchten [8]Gründungskongress Ende Oktober in Berlin zu massenhafter Beteiligung am Global-Action-Day aufgerufen hat. Selbst in Untergliederungen der Regierungsparteien regt sich Protest. So verteilten Berliner SPD-Mitglieder eine [9]Presseerklärung, in der sie den Parteiausschluss von Bundeskanzler Schröder wegen dessen "Enttabuisierung des Militärischen" fordern.
Doch manchen Aktivisten ist die Orientierung auf maximale Breite und den kleinsten gemeinsamen Nenner suspekt. Undogmatische Linke um das lose organisierte Netzwerk Peoples Globale Action ( [10]PGA) wollen auf dem Aktionstag eine internationalistische Stoßrichtung und eine grundsätzlichere Kapitalismuskritik einbringen. Sie werfen vielen Friedensinitiativen einen nationalbornierten Standpunkt vor. Wie zur Bestätigung wurde auf der Pressekonferenz aus der Erklärung einer Friedensgruppe zitiert, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, "Schaden vom deutschen Volk" abzuwenden, als würden die Bomben auf Berlin und nicht auf Kabul fallen.
Doch trotz dieser nicht unwesentlichen Differenzen werden alle Gruppen und Initiativen am Samstag gemeinsam auf die Strasse gehen. Gerade in Deutschland erwarten die Organisatoren Zulauf wegen der aktuell zugespitzten Diskussion um die Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg gegen Afghanistan. Doch über den Aktionstag hinaus sieht es mit gemeinsamen Perspektiven mau aus. Man hatte wegen der vielen organisatorischen Probleme noch keine Zeit gehabt, darüber nach zu denken, hieß es auf der Pressekonferenz in Berlin. Dezent hat man aber schon einmal auf den EU-Gipfel Mitte Dezember in Brüssel hingewiesen. Anders als Qatar ist die belgische Hauptstadt keine demonstrationsfreie Zone - und das vielgescholtene Eventhopping könnte hier fortgesetzt werden. |