Neues Deutschland vom 10.02.01Wider die Allmacht der Professoren Die von der Bundesregierung geplante Dienstrechtsreform stösst bei Gewerkschaten und Studentenorganisationen auf geteiltes Echo
Schon die Begrifflichkeiten rufen Erinnerungen an Beamtenstuben und Aktenberge wach. Selbst politisch aktive Studierende werden damit nicht allzu viel anfangen können und in den bildungspolitischen Debatten hat die Dienstrechtsreform keine Diskurshoheit. Das könnte sich bald ändern. Die Reform des Personal- und Dienstrechts gehört zu den Vorhaben, die Bundesbildungsministerin Edelgard Bullmann noch in dieser Legislaturperiode in Angriff nehmen will. Eine aus Bildungsexperten zusammengesetzte 18köpfige Expertenrunde hat bereits Vorschläge erarbeitet Es geht dabei um Anpassung und Neugestaltung der Arbeitsbedingungen von Universitäten und Forschungseinrichtungen an die veränderten sozialen Bedingungen. Die professorale Allmacht, die auch durch die Studentenrevolte schon theoretisch infrage gestellt und praktisch angekratzt wurde, soll demnach endgültig der Vergangenheit angehören. Doch es sind nicht Proteste von Unten sondern die strukturellen Veränderungen auf dem Hochschul- und Forschungssektor, die die Stichwortgeber für die Reform sind. Die Professorenherrlichkeit paßt eben nicht in ein Computerzeitalter, in dem Teamgeist im Vordergrund steht und eine ganze Generation junger Nachwuchsforscher ihre Rechte einfordert. Der Zeitpunkt für die angestrebte Reform ist nicht zufällig gewählt. In der nächsten Zeit vollzieht sich an vielen Universitäten ein Generationenwechsel. Reihenweise werden Professoren ihre Lehrstühle aus Altersgründen verlassen. Für den bildungspolitischen Sprecher im Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Gerd Köhler ist das genau der richtige Zeitpunkt, um mit der Reform Ernst zu machen. Die sei von der GEW ebenso wie von Studentenorganisationen schon seit Jahren gefordert worden, meint Köhler gegenüber ND. Deshalb sieht er das Vorhaben aus dem Hause Bullmann zunächst einmal verhalten positiv: "Während in diesem Bereich 15 Jahre totale Funkstille herrschte, hat die jetzige Regierung zumindest einige unserer Vorschläge aufgegriffen". Wenn es ins Detail geht, ist es mit den Gemeinsamkeiten zwischen GEW und rot-grüner Bundesregierung denn aber schnell vorbei. So bezeichnet die GEW das jetzt angestrebte Reformkonzept für in wesentlichen Bereichen zu kurz gegriffen. In einem aus 10 Punkten bestehenden Antrag stellte die GEW auf ihren letzten Gewerkschaftstag eine umfassende Dienstrechtsreform vor, die in der Lage sei "wissenschaftsadäquate, qualitätsfördende und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen zu schaffen", wie es im Bürokratendeutsch heißt. Die Gewerkschaften richten ihr Augenmerk vor allen auf die Gleichstellung von Männern und Frauen und eine Reform der Besoldungsstruktur. Im Bildungsbereich müsse mit der bisherigen Praxis des "ex und hopp" -Beschäftigten Schluss gemacht werden. Statt dessen soll gezielt wissenschaftliches Personal eingestellt werden, dass nicht mehr Nachwuchs ist und auch keine Professur anstrebt. Um diese schon vor mehr als einem Jahrzehnt entwickelten Gewerkschaftsvorstellungen vom "Wissenschaftler als Beruf" sich gegen die Sparkommissare in der Bundesregierung durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Die GEW findet bei ihren Forderungen Unterstützung bei Studentenorganisationen wie den freien Zusammenschlüsse der Studierenden (fzs). Die Dachorganisationen von einer Vielzahl von Asten hält das bisherige Dienstrecht schlicht für anachronistisch. Obwohl auch dort mit der neuen Reform ein Hoffnungsschimmer gesehen wird, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Der fzs-Referent Frank Oliver Sobich sieht denn auch in der Dienstrechtsreform eher die Durchsetzung einer marktgerechten Hochschule, bei dem die studentischen Forderungen nach einer emanzipatorischen Bildungspolitik unter die Räder kämen. "Der Kunde Student ist nicht König, sondern Depp!" lautet der Titel seiner "Kritische Betrachtung der Dienstrechtsreform".
Peter Nowak |