Neues Deutschland vom 27.2.01Jagd auf die Spucke
· Mittels DNA-Analyse sollen politische Linke kriminalisiert werden
Auf dem Frankfurter Arbeitsamt erwartete Gisela Dutzi Ende Januar eine böse Überraschung. Fünf Polizisten, darunter ein BKA-Beamter, lauerten der linken Aktivistin vor der Behörde auf und stellen die Frau vor die Alternative, in aller Öffentlichkeit eine Speichelprobe abzugeben oder mit zum Polizeipräsidium zu kommen. Als Dutzi auf die Zuziehung eines Anwalts bestand und einen richterlichen Beschluss für die Maßnahme verlangte, wurde sie mit Händen und Füßen zum Auto geschleppt und zum Polizeipräsidium gebracht. Dort wurde ihr im gerichtsmedizinischen Institut gewaltsam Blut abgenommen, während ihre Arme nach hinten verdreht wurden. Erst nach der Prozedur erhielt Dutzis Anwalt den vom Bundesgerichtshof ausgestellten richterlichen Beschluss für die DNA-Abnahme. Die lapidare Begründung lautet, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Dutzi wieder Straftaten begehen könne. Der Hintergrund: Gisela Dutzi war nach eigenen Angaben Anfang der 80er Jahre in der Rote Armee Fraktion (RAF) organisiert und verbüßte deshalb eine über achtjährige Haftstrafe. Seitdem ist die weiterhin in linken Zusammenhängen aktive Frau strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Dass sie jetzt wieder Blut und Speichel abgeben mußte, wird mit dem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz begründet. DNA ist die englische Abkürzung für Desoxyribonukleinsäure, ein Baustoff unserer Körperzellen. Experten rechnen damit, dass die DNA-Analytik demnächst den Stellenwert erhält, den der gewöhnliche Fingerabdruck bis vor einigen Jahren hatte. Dutzi ist hier kein Einzelfall. In den letzten Jahren mußten von der Polizei festgenommene Antifaschisten sowie Flüchtlinge im Asylverfahren den "genetischen Fingerabdruck" abgeben. Auch innerhalb der Gefängnisse ist diese Identifikationsmethode mittlerweile an der Tagesordnung. In letzter Zeit wurden bekannte Linke mit der vagen Begründung, sie könnten Straftaten begehen, zur DNA-Analyse gezwungen. Neben Dutzi wurde Anfang Februar in Berlin eine 57jährige Rechtsanwaltsgehilfin zu dieser Prozedur genötigt. Auf dem Weg zur Arbeitsstelle wurde sie von sieben Zivilbeamten umringt, die sie mit Hinweis auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Speichelprobe zwangen. Damit versucht die Bundesanwaltschaft Beweise zu finden, dass die Frau 1997 an einem Anschlag auf den Fuhrpark einer Spar-Handelskette in Brandenburg beteiligt war. Gegenüber der TAZ erklärt die Betroffene, sie sei wegen ihrer langjährigen Aktivitäten in Flüchtlings- und Antirassismusinitiativen ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Nachdem sie nach einer Demonstration gegen das Asylbewerberleistungsgesetz 1997 in eine Polizeikontrolle geraten sei wurde sie nicht mehr in Ruhe gelassen. Bei einer Hausdurchsuchung wurde Schriftmaterial mit antirassistischen Parolen beschlagnahmt. Doch Beweise für eine Beteiligung an dem Anschlag in Brandenburg konnten nicht gefunden werden. Die innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion Ulla Jelpke bezeichnet den zunehmenden Einsatz der DNA-Analyse gegen Linke und Flüchtlinge als erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Dieser Ansicht hat sich mittlerweile sogar das Bundesverfassungsgericht angeschlossen. In einem Beschluss vom 18.Januar diesen Jahres entschied das Gericht, die DNA-Analysen seien nur bei schwerer und mittelschwerer Kriminalität zulässig. Peter Nowak |