Frankfurter Rundschau27.03.2001 Brandenburg Castor-Fuhren für den Fremdenverkehr
Von Peter Nowak (Berlin)
"Machen wir den AKW-Standort wieder zur grünen Wiese"lautete eine alte Parole der Anti-AKW-Bewegung. Im brandenburgischen Rheinsberg könnte daraus bald Wirklichkeit werden. Zwischen 7. und 13. Mai sollen vier Castoren aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Rheinsberg ins hundert Kilometer entfernte Zwischenlager Greifswald geschafft werden. Mit dem Abtransport soll der Rückbau von Rheinsberg und damit das weltweit größte AKW-Stilllegungsprojekt abgeschlossen sein. Rheinsberg war 1966 als erstes AKW der DDR in Betrieb gegangen und 1990 aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden. Der Großteil der Rheinsberger und ihrer Nachbarn wollen die Altlasten so schnell wie möglich loswerden. Sie könnten den Fremdenverkehr in der Tucholsky- und Fontanestadt Rheinsberg behindern, wird befürchtet. "Wenn man gegen Kernkraft ist, dann muss man auch für den Abbau sein, und nun gibt es von den Atomkraftgegnern auch dagegen wieder Proteste", wundert sich Rheinsbergs Bürgermeister Manfred Richter (SPD). Tatsächlich fordern regionale Umweltgruppen die Lagerung des Atommülls im stillgelegten AKW. "Die Transporte aus Rheinsberg könnten eine Türöffnerfunktion haben und Greifswald zu einer bundesweiten Atommülldeponie machen", lautet ihre Befürchtung. Das "Zwischenlager Nord" sei für 6700 Tonnen schwach- und mittelradioaktiven Atommüll ausgelegt. Diese Argumente finden vor allem bei Anti-AKW-Gruppen im nahen Berlin Anklang. Doch auch die wissen, dass es im Osten kein zweites Gorleben geben wird. Der Brandenburger Grünen-Verband will sich mit den Berliner Parteifreunden auf eine Position verständigen. Eine Ablehnung des Transports wird nicht erwartet. Größere Turbulenzen hat die atomare Fracht bei der PDS ausgelöst. Die Partei billigt die brisante Müllfuhre aus Rheinsberg, will aber das Anti-AKW-Image, dass sie sich mit ihrer Opposition zu den Castor-Transporten nach Gorleben zu geben versucht, möglichst nicht ankratzen. "Die Atomtransporte im Westen dienen dem Weiterbetrieb der Atomanlagen, während die Kraftwerksanlagen in Rheinsberg rückgebaut werden. Insofern ist Rheinsberg ein Sonderfall", übt sich die PDS-Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann im Spagat. Anti-AKW-Initiativen sehen das ganz anders und werfen der PDS vor, mit ihrer Haltung den Widerstand gegen Castor-Fuhren insgesamt zu torpedieren.
Mehr dazu im neuen FR-Spezial "Der Castor-Transport" |