junge Welt08.03.2001 Bluthund mit guten Beziehungen Syrien stand als Zufluchtsort Alois Brunners in der Kritik. Über hiesige Gönner schweigt man _________________________________________________________________
Großen Aufruhr gab es im konservativen Blätterwald, nachdem bekanntgeworden war, daß führende Spitzenfunktionäre der Grünen wie Daniel Cohn-Bendit jahrzehntelang über den Unterschlupf des ausgestiegenen Aktivisten der Roten Zellen, Hans-Joachim Klein, informiert waren. Dies, obwohl die Kontakte schon lange bekannt und mit dem Verfassungsschutz im Rahmen des Aussteigerprogramms abgesprochen waren.
Über Skandale ganz anderen Kalibers hingegen deckt man gern den Mantel des Schweigens. So über die Tatsache, daß der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Vogel wesentlich daran beteiligt war, den für die Deportation von mindestens 120 000 Juden aus ganz Europa verantwortlichen SS-Obersturmbannführer Alois Brunner vor jeder Bestrafung zu bewahren. Vogel war vor 1945 Mitglied in Brunners Propagandastaffel im griechischen Thessaloniki und begleitete ihn später bei seinem mörderischen Treiben in Paris.
Doch Brunner konnte sich noch auf andere alte Kameraden verlassen. Beweise dafür finden sich in dem kürzlich erschienenen Buch »Die Akte Alois Brunner« von Georg M. Hafner und Esther Schapira, die auch die Autoren des gleichnamigen, in der vergangenen Woche auf Arte gesendeten Dokumentarfilms sind. So war der als »Mussolini- Befreier« in Neonazikreisen bis in die 80er Jahre herumgereichte Otto Skorzeny am Schutz Brunners nach 1945 wesentlich beteiligt. Er hat ihn an den Bundesnachrichtendienst und dessen Vorläufer, die »Organisation Gehlen«, vermittelt. Gedeckt wurde Brunners Nachkriegskarriere von den USA.
Christopher Simson von der American University in Washington zufolge haben die US-Behörden Brunner für den Aufbau des ägyptischen Geheimdienstes mit dem Ziel bezahlt, den Einfluß des Westens in dieser Krisenregion zu wahren. Für diese Aufgabe seien mit ausdrücklicher Billigung der USA mehr als 100 deutsche Berater ausgewählt worden. Brunner sei einer der Prominentesten gewesen. »Er bot viele Vorteile. Er war antikommunistisch und antisemitisch, versiert in Folter- und Verhörmethoden und ein williges Werkzeug, weil er untertauchen wollte«, schreiben Hafner und Schapira. Brunner sagte noch 1987 in einem Interview mit der »Chicago Sun Time«, auf seine Mordtaten angesprochen: »Ich bereue nichts und würde es heute wieder tun«.
Brunners Blutspur führt über Wien, Berlin, Griechenland bis nach Frankreich. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, seine Opfer auf ihren Todesfahrten gelegentlich zu begleiten. Für die Verschleppung von 345 jüdischen Kindern aus dem Lager Drancy bei Paris am 31. Juli 1944 wurde Brunner in der vergangenen Woche in Frankreich in Abwesenheit erneut zu lebenslanger Haft verurteilt. Schon 1954 hatten französische Militärgerichte Brunner wegen seiner Verbrechen, ebenfalls in Abwesenheit, zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde später in lebenslange Haft umgewandelt. Daß er davon keinen einzigen Tag absitzen mußte, wird heute hauptsächlich der syrischen Regierung angelastet. Übersehen wird dabei meist, daß es in Deutschland bis heute keinerlei Aktivitäten zur Strafverfolgung Brunners gibt.
Peter Nowak
* Georg M. Hafner/Esther Schapira: Die Akte Alois Brunner. Warum einer der größten Naziverbrecher immer noch auf freiem Fuß ist. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2000, 327 Seiten, DM 39,80 |