junge Welt 14.12.2000 Gefangenenfrage nicht auf der Agenda Peru: Nach Sturz von Fujimori ist Frage der politischen Häftlinge ungeklärt _________________________________________________________________
Viel war in den letzten Wochen über den Sturz des peruanischen Diktators Alberto Fujimori zu lesen. Einige bürgerliche Kritiker des Regimes, wie der frühere Chef des Fernsehsenders Canal 2 sind mittlerweile aus dem Exil nach Lima zurückgekehrt. Auch 117 im Jahre 1992 von Fujimori entlassene Diplomaten wurden mittlerweile wieder in ihre Ämter eingesetzt oder bekommen eine hohe Enschädigung. Doch das Schicksal der zigtausend unter unmenschlichen Bedingungen eingekerketen politischen Gefangenen des Landes bleibt auch nach dem Machtwechsel in dem Andenland offen.
»Wir glauben nicht, daß die Übergangsregierung die politischen Gefangenen freiläßt«, erklärte Norma Velazco von der Europavertretung der peruanischen Guerillabewegung Tupac Amaru (MRTA) im Gespräch mit junge Welt. Mitglieder der MRTA hatten im Dezember 1996 mit der Besetzung der japanischen Botschaft in Lima die Freilassung von politischen Gefangenen erreichen wollen. Nach einer mehrmonatigen Besetzung wurde das Gebäude vom peruanischen Militär gestürmt. Alle Mitglieder des Guerillakommandos waren seinerzeit getötet worden, die meisten erst nach ihrer Festnahme.
Ein Großteil der politischen Gefangenen Perus sind vermeintliche oder tatsächliche Aktivisten der maoistischen Guerilla Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad). Die bis 1993 in mehreren peruanischen Provinzen aktive Organisation spaltete sich nach der Verhaftung ihres Vorsitzenden Abimale Guzman. Obwohl sich Guzman für die Einstellung des bewaffneten Kampfes aussprach, wird er weiterhin in einem Bunker isoliert gefangengehalten. Selbst dem Roten Kreuz und anderen humanitären Organisationen wurde bislang eine Besuchserlaubnis verwehrt.
Ein Flügel des Leuchtenden Pfad setzt weiter auf den bewaffneten Kampf auf niedrigem Niveau. Mit den unter anderen linken Organisationen umstrittenen Kampf der Senderisten wurde die endgültige Beseitigung der letzten demokratischen Rechte nach Fujimoris Selbstputsch im Jahre 1992 legitimiert. Parallel zur Umsetzung des neoliberalen Schockprogramms nahmen die Menschenrechtsverletzungen in Peru Ausmaße an, wie sie in den 70er Jahren in den argentinischen und chilenischen Militärdiktaturen bekannt waren.
Die politischen Gefangenen sind heute in zwölf Hochsicherheitsgefängnissen konzentriert. MRTA-Gründer Victor Polay ist auf einer Marinebasis in einer acht Meter unter der Erde liegenden Zelle ohne elektrisches Licht inhaftiert. Ein anderes Gefängnis befindet sich auf 4000 Meter Höhe in den Anden. Wegen der ständig kalten Witterung leiden dort viele Gefangene unter schweren Atemwegserkrankungen. Auch die US-amerikanische Journalistin Lori Berenson hat mehrere Jahre in diesem berüchtigten Yanomayo-Gefängnis verbracht. Sie ist eine der wenigen, die sich Hoffnung auf einen neuen Prozeß mit anschließender Freilassung machen kann. Die Mitarbeiterin verschiedener linker US-Magazine war bei ihrer Recherche über den linken Widerstand in Lateinamerika im November 1995 in Lima verhaftet und unter der Beschuldigung, MRTA- Mitglied zu sein, zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Nachdem sich ihre Verwandten und bekannte Linksintellektuelle wie Noam Chomsky und der ehemalige US- Justizminister Ramsey Clark für sie eingesetzt hatten, wurde eine Wiederaufnahme ihres Verfahrens in Lima angekündigt. Davon können allerdings die übrigen Gefangenen auch nach dem Machtwechsel in Peru bisher nur träumen. »Der Sturz von Fujimori ist zwar ein wichtiger Etappensieg, aber der Kampf gegen Neoliberalismus und Repression ist damit noch lange nicht beendet«, meinte MRTA-Vertreterin Norma Velazco.
Peter Nowak |