junge Welt24.11.2000
Was steckt hinterm Streit um die Wehrmachtsausstellung? jW sprach mit dem Historiker und Publizisten Johannes Klotz _________________________________________________________________
Vorige Woche hat eine Wissenschaftlerkommission ein Gutachten über die von rechts stark angegriffenen Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« vorgestellt. Am Donnerstag wurde bekannt, daß die Ausstellung im kommenden Jahr wiedereröffnet wird. - Johannes Klotz ist Publizist, Historiker und Politologe. Zusammen mit Gerd Wiegel hat er kürzlich das Buch »Geistige Brandstiftung. Die neue Sprache der Berliner Republik« herausgegeben, das im Aufbau-Taschenbuch- Verlag erschienen ist
F: Mitte November wurde von einer Wissenschaftlerkommission der Bericht über die Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« der Öffentlichkeit vorgestellt. Wie war die mediale Reaktion?
Nur wenige Journalisten haben den Bericht positiv aufgenommen, viele mäkelten mehr oder weniger vorsichtig am Bericht der Historiker herum, was darauf zurückzuführen ist, daß es ihnen gar nicht lieb ist, was »Wissenschaft« herausfindet. Genau genommen machte die Historikerkommission die Medien ja für einen Teil der Probleme verantwortlich. Sie beschuldigte die Medien, mit der Übernahme des Begriffes »Wehrmachtsausstellung« zur falschen Behauptung beigetragen zu haben, die Ausstellungsmacher hätten pauschal die gesamte Wehrmacht in Haftung für die begangenen Verbrechen genommen.
F: Sie gehörten im Streit um die Ausstellung zu den wenigen Historikern, die sich gegen eine Überarbeitung der Ausstellung aussprachen. Waren die falschen Einordnungen einiger Bilder nicht so gravierend?
Die Bedeutung der Bildquellen für die Seriosität der Ausstellung war ein Hauptstreitpunkt. Hier haben die Historiker schon noch einige Fragen zu beantworten. Die Thesen der Ausstellungsmacher zum rassistischen Vernichtungskrieg wurden aber ausdrücklich bestätigt, ja sogar noch verschärft, indem neue Studien vorgelegt wurden. Insofern war diese Überarbeitung unnötig.
F: Hat die Kontroverse auch einen politischen Kern?
Ja, denn der Geschichtsstreit um die »Wehrmachtsausstellung« erhitzte die Gemüter erst richtig, als die Münchner CSU die Ehre des »deutschen Vaterlandes« besudelt sah, was für die Neonazis-Gruppen so richtig Wasser auf ihre Mühlen war. Auch ein großer Teil der CDU fühlte sich und die deutschen Wehrmachtssoldaten diffamiert und pauschal verurteilt.
F: Es ist auffallend, daß mit dem polnischen Historiker Bogdan Musial und seinem ungarischen Kollegen Kristian Ungvary zwei osteuropäische Wissenschaftler zur vorläufigen Schließung beigetragen hatten. Was waren die Motive für deren Intervention?
Wahr ist wohl, daß vor allem der polnische Historiker Musial sich länger bemühte, mit seiner Kritik beim Hamburger Institut für Sozialforschung zu landen. Als Friedrich-Ebert- Stipendiat und Solidarnosc-Aktivist fühlte er sich wohl auch von Reemtsma und Heer in die Ecke gedrängt, so daß er möglicherweise falsche Foren suchte. Das deutet auf eine gewisse Selbstüberschätzung hin. Die Kunst der Differenzierung und Fähigkeit, Grundthesen aufzustellen, ist nicht ihr Metier.
F: Selbst die linksliberale Frankfurter Rundschau (FR) hing in der Diskussion einer totalitarismustheoretischen Argumentation an. Könnte die überarbeitete Wehrmachtsausstellung solche Tendenzen fördern?
Die FR hat sich ein bißchen weit vorgewagt, obwohl sie durchaus den Nagel auf den Kopf traf, was die Beschreibung der Entwicklung des Hamburger Instituts für Sozialforschung betrifft. Das Institut, das vor über 15 Jahren im Zeichen von Gesellschaftskritik angetreten war, hat nach 1989 einen Paradigmenwechsel vollzogen, der auch für die Entwicklung der Gesellschaftswissenschaften von Bedeutung ist. Die Linke strudelte, und das Institut begann, die »neue« Totalitarismustheorie zu popularisieren, die sich vornehmlich ums »Böse« im Menschen kümmert, um zu beantworten, wann der Normalbürger zum Mörder wird. Ob sie so die aufklärende Wirkung der »alten« Ausstellung erreichen wird, ist allerdings fraglich.
Interview: Peter Nowak |