junge Welt Interview 19.08.2000
Wer protestiert am Türkei-EXPO-Tag in Hannover? jW sprach mit Klaus Falk von der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner in Hannover _________________________________________________________________
F: Im Rahmen des Türkei-EXPO-Tages am heutigen Sonnabend soll es in Hannover Proteste geben. Was ist geplant?
Es gibt drei getrennte Aktionen. Amnesty International organisiert eine Menschenkette vom EXPOgelände zum türkischen Generalkonsulat, um auf die Menschenrechtsverletzungen in dem Land am Bosporus aufmerksam zu machen. Daneben sollen die Abschaffung von Folter und Todesstrafe und die Übergriffe bewaffneter kämpfender Gruppen thematisiert werden. Eine weitere Bündnisaktion wird von der DFG/VK, der VVN/BdA und der Geschichtswerkstatt Hannover vorbereitet. Die kurdische Exilorganisation Yelkom organisiert ebenfalls eine Kundgebung.
F: Warum haben Sie gerade den Tag der Türkei auf der EXPO für den Protest ausgesucht?
Der Anlaß war die geplante Lieferung von 1 000 Panzern von Deutschland an die Türkei. Bei der Vorbereitung der Proteste ist mir erst die ganze Dimension der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei klargeworden. Das betrifft nicht Zehntausende, wie ich zunächst angenommen habe, sondern Millionen Menschen. Es kann nicht sein, daß zur gleichen Zeit die deutschen und türkischen Regierungsvertreter sich auf der Weltausstellung die Hände schütteln.
F: Ursprünglich wollten Sie schon am Vorabend eine Podiumsdiskussion unter dem Motto »Urlaub in der Türkei? - oder wie Menschenrechte mit Füßen getreten werden« veranstalten. Warum wurde die wieder abgesagt?
Wir hatten den Bürgermeister des von einem Staudammprojekt bedrohten türkischen Ortes Hasankeyf eingeladen. Jetzt hat er ganz kurzfristig mit der Begründung abgesagt, daß sich der türkische Kultusminister in dem Zeitraum in dem Ort angesagt hat und deshalb seine Anwesenheit in der Türkei erforderlich ist. Mit einer ähnlichen Begründung scheiterte kürzlich schon eine andere Veranstaltung mit dem Bürgermeister. Da hat die türkische Regierung alle ihr zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung gesetzt.
F: Warum ist es nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Aktion in Hannover zu verständigen?
Leider hat sich amnesty nicht sehr kooperativ verhalten. Wir hatten die Aktionen vor Ort angemeldet und ai dann freie Hand gelassen. Allerdings fühlten wir uns letztlich instrumentalisiert. Dabei gab es immer schon große Zweifel, ob sich ausgerechnet in der Sommerpause die geplante Menschenkette realisieren lassen würde. Es gibt natürlich auch politische Differenzen. ai gibt sich unpolitisch, pflegt aber beste Kontakte zu deutschen Regierungsstellen. Allerdings haben wir unsere Aktion als Ergänzung und nicht als Konkurrenz aufgefaßt.
Auf unserer Auftaktkundgebung wird ein türkischer Kriegsdienstverweigerer reden. Nach dem Ende der ai-Aktion werden wir die Teilnehmer auffordern, sich an unserer Demonstration zu beteiligen. Auf dem zentralen Platz in Hannover wird zum Abschluß die PDS- Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann sprechen.
F: Warum war keine gemeinsame Aktion mit den exilkurdischen Gruppen möglich?
Die kurdischen Organisationen haben keinen Kontakt zu uns gesucht. Das mag auch an politischen Differenzen liegen, die es schon länger gibt.
F: Wie wird die Polizei auf die unterschiedlichen Aktionen reagieren?
Die Trennung der unterschiedlichen Aktionen kommt der Polizei sehr recht. Unsere Demoroute ist so gelegt, daß wir mit den kurdischen Leuten nicht zusammentreffen werden. Das kann natürlich trotzdem geschehen, wenn es gewollt ist. Ich habe in Gesprächen mit der Polizei bereits deutlich gemacht, daß das Zeigen von kurdischen Fahnen kein Grund für einen Polizeieingriff sein darf. Die Polizei allerdings hat schon eindeutig erklärt, keine Straftatbestände zu tolerieren. Dazu gehört für sie ganz eindeutig das Zeigen der kurdischen Flaggen. Wir haben an Auseinandersetzungen mit der Polizei kein Interesse, sondern wollen der türkischen Regierung zeigen, daß wir den Nationentag politischer sehen als die offiziellen Stellen.
Interview: Peter Nowak |