junge Welt05.12.2000 Fördert Elitebildung rechte Tendenzen an den Unis? jW sprach mit Alex Demirovic, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Frankfurter Institut für Sozialforschung _________________________________________________________________
F: Die Arbeitsgruppe Hochschulforschung an der Universität Konstanz kam in einer kürzlich veröffentlichten Studie zu dem Schluß, daß der Prozentsatz der Studierenden mit nationalkonservativen und rassistischen Ansichten gewachsen ist. Wieweit decken sich diese Ergebnisse mit dem Fazit der Studie »Demokratisches Selbstverständnis und die Herausforderung von Rechts«, die Sie zusammen mit Gerd Paul vor fünf Jahren veröffentlicht hatten?
Es gibt methodische Unterschiede. Die Konstanzer Wissenschaftler haben in einem wesentlich kleineren Radius geforscht. Aber ihre Untersuchungsergebnisse bestätigten unsere eigenen Prognosen, daß die Verbindlichkeit demokratischer Grundprinzipien unter Studierenden im Schwinden begriffen ist und der Überlebenswille auch auf Kosten anderer zunimmt. Darin sind häufig rassistische und nationalistische Orientierungen eingelagert. Anders als in den 60er und 70er Jahren kann man also heute keinesfalls mehr davon sprechen, daß die Universitäten links stehen.
F: Ist die Zunahme rechter Tendenzen nicht auch mit einem Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik zu erklären, bei der statt Chancengleichheit Elitenbildung auf der Tagesordnung steht?
Sicherlich bestärkt dieser Paradigmenwechsel die autoritären Tendenzen unter den Studierenden. In den 60er und 70er Jahren lauteten die Bildungsparadigmen Selbsterkenntnis der Wissenschaft und Hinführung zu solidarischem Handeln in der Gesellschaft. Davon ist heute nicht mehr die Rede. Diese Gesellschaft braucht Eliten, die Menschen führen und lenken sollen. Die Hochschulen bilden auch dazu aus. Allerdings wäre es falsch, hier einen kausalen Zusammenhang herzustellen.
F: Sie sagen, daß die Mehrzahl dieser Studenten nicht in rechten Gruppen aktiv ist. Wie drückt sich rechte Gesinnung aus?
Die rechten Studenten sind sehr karrierebewußt. Im Unterschied etwa zu den 20er Jahren ist es heute nicht möglich, als erklärter Rassist und Antisemit in der Wirtschaft einen lukrativen Posten zu bekommen. So bleibt es bei verdeckten rassistischen nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Andeutungen. Diese verdeckte Form ist aber für die Gesellschaft gefährlicher. Offener Rassismus kann auch offen bekämpft werden.
F: Wie drückt sich dieser Rechtsruck konkret in der Studentenpolitik aus?
Die studentische Rechte ist nicht unpolitisch. Sie nimmt entschieden gegen jede studentische Politik Stellung, weil studentische Politik in ihren Augen immer linke Politik ist. Daher auch der vehemente Kampf gegen das politische Mandat. Sie wollen die verfaßten Studentenschaften als reine Dienstleistungsinstanzen akzeptieren. Bei den letzten Hochschulstreiks haben Kommilitonen auch rechte Inhalte einzubringen versucht. Die Orientierung an den Hochschulgruppen der Parteien ist weiterhin sehr stark. Nur so ist auch zu erklären, daß der CDU-nahe Ring Christdemokratischer Studenten (RCDS) immer wieder gewählt wird, obwohl er in der hochschulpolitischen Debatte so gut wie kein Profil hat.
F: Belegen Ihre Studien, daß die Burschenschaften, die lange mit rechter Politik plus Karriere identifiziert wurden, Relikte aus der Vergangenheit sind?
Die Zahl der Studenten, die in Burschenschaften aktiv sind, bewegt sich bei ca. zwei Prozent. Das ist nicht wenig, wenn man berücksichtigt, daß die Zahl der politisch aktiven Studierenden auch nicht größer ist. Doch spielen die Burschenschaften heute eine untergeordnete Rolle. Die Stimmungslagen, mit denen wir es heute in Studentenkreisen zu tun haben und die uns auch in unserer Untersuchung beschäftigt haben, sind viel moderner.
Interview: Peter Nowak |