junge Welt Inland 09.11.2000
Denkmal für die »Euthanasie«opfer gefordert Auch an die von den Nazis ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen soll in Berlin erinnert werden _________________________________________________________________
»Ich stand auf der Schwelle der Gaskammern von Auschwitz. Doch eine Entschädigung habe ich nach 1945 nie bekommen. Im Gegenteil. Noch immer gelte ich offiziell als geisteskrank. Die Akte mit meiner vollen Adresse wird von fremden Personen gelesen.« Elvira Manthey gehört zu den wenigen, die die »Euthanasie«morde während der Nazizeit überlebten. Entschädigung wird sie wohl nicht mehr enthalten. Aber immerhin ist in die Debatte um ein Denkmal für die »Euthanasie«opfer in Berlin wieder Bewegung gekommen.
Am Montag hatte der durch einen Bundestagsbeschluß ins Leben gerufene Beirat der »Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas« zum dritten Mal getagt. In einem anschließenden Pressegespräch informierte die Publizistin Lea Rosh über den Beiratsbeschluß, ein Denkmal für die »Euthansie«opfer in Berlin zu unterstützen.
»Wir haben immer gesagt, daß wir ein würdiges Gedenken für alle Naziopfer fordern«, wies Rosh das Gerede von der Hierarchisierung der Opfer mit Nachdruck zurück. Rosh erinnerte daran, daß auch die Sinti und Roma mittlerweile gegen viele Widerstände die Forderung nach einer eigenen Gedenkstätte in der Mitte Berlins aufrechterhalten.
Für den Freundeskreis »Haus des Eigensinns« stellten Professor Peter Raue und Dr. Norbert Kampe noch einmal das Konzept der geplanten Gedenkstätte vor. Unmittelbar hinter der Philharmonie auf dem Grundstück der Tiergartenstraße 4 soll der 1 100 Quadratmeter große Museumsneubau entstehen. In der alten Villa auf dem Gelände wurde die »Aktion T4« geplant. So lautete unter den Nazis die aus der Adresse abgeleitete Tarnbezeichnung für die von der »Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten« organisierte systematische Registrierung und Tötung geistig Behinderter.
Mit 1,7 Millionen DM Stiftungskapital sei die Hälfte der Kosten für die Gedenkstätte schon gedeckt. Nach den Plänen der Initiative soll die sogenannte Prinzhornsammlung in dem Museum untergebracht werden. Dabei handelt es sich um von Psychiatriepatienten hergestellte Kunstwerke, die jahrzehntelang im Keller des Heidelberger Universitätsklinikums lagerten. Die Heidelberger Klinik allerdings ist zu einer Kooperation mit der Opferinitiative bisher nicht bereit und will die Kunstwerke in einem Pavillon auf dem Gelände des Klinikums präsentieren. Der Sprecher des Freundeskreises »Haus des Eigensinns«, René Talbot, erklärte mit Verweis auf das Agieren des berüchtigten »Euthanasie«arztes Carl Schneider während der Nazizeit in diesem Gebäude: Eine Ausstellung der Kunstwerke dort sei »Beutekunst im Hörsaal der Mörder«.
Lea Rosh betonte nach der Beiratssitzung der »Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas«, ihr sei es ein besonderes Anliegen, für ein Denkmal der von den Nazis ermordeten russischen Kriegsgefangenen einzutreten. »Die haben bei uns gar keine Lobby.«
In der Berliner CDU wird indes nach der zähneknirschenden Akzeptanz des Holocaustdenkmals mit dem zynischen Begriff »Keine Reuehauptstadt« gegen weitere Opferdenkmäler in Berlin polemisiert.
Peter Nowak |