telepolis vom 3.8.06Berliner Bilderstreit Peter Nowak Der Nahost-Konflikt spiegelt sich immer auch auf den Straßen deutscher Städte wieder. Vor allem in Berlin, wo viele Menschen mit arabischem Hintergrund leben, schlagen die Wellen regelmäßig hoch Das hat sich in diesen Tag wieder gezeigt. So waren bei Demonstrationen, die sich gegen die Politik Israels richteten, Bilder des Hisbollah-Vorsitzenden Hassan Nasrallah gezeigt wurden. Das führte zu einer kurzen, heftigen Debatte unter den im hochsommerlichen Berlin anwesenden Politikern. Als erstes brachte der Vize-Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, eine Gesetzesverschärfung (1) in die Debatte. Danach soll auch eine "Sympathiewerbung" für eine terroristische Vereinigung im Ausland unter Strafe gestellt werden. Die Wiedereinführung (2) des Verbots von Sympathiewerbung steht bei CDU/CSU-Politikern schon länger auf der Wunschliste. Die Möglichkeit war schon einmal im deutschen Strafgesetzbuch enthalten, bezog sich aber in erster Linie auf bewaffnete Gruppen im Inland, auf die Bewegung Zweiter Juni und die Rote Armee Fraktion. Nach dem reformierten § 129 b des Strafgesetzbuches steht zwar auf die Mitgliederwerbung und Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Eine bloße Sympathiewerbung gehört aber nicht dazu. Gegen den Vorstoß von konservativer Seite wandte sich die FDP. Deren Berliner Vorsitzender Markus Löning verteidigte die Abschaffung der Strafbarkeit für reine Sympathiewerbung. Allerdings gab er zu Bedenken, dass es schon eine juristische Handhabe gegen die Hisbollah-Werbung gäbe, nämlich die Bestimmungen gegen Volksverhetzung und die Störung der öffentlichen Ordnung. Die könnten in diesem Fall auch deshalb zur Anwendung kommen, weil auf den Demonstrationen auch Parolen wie "Tot Israels" oder "Hisbollah bis zum Sieg" skandiert wurden. Auch der Berliner Innensenat hat am vergangenen Dienstag unter Verweis auf den Volksverhetzungsparagraphen das Zeigen von Bildern mit Hisbollah-Politikern verboten (3). Diese Verfügung trat sofort in Kraft. Eine für den kommenden Freitag geplanter Demonstration der palästinensischen Gemeinde wurde nur mit strengen Auflagen genehmigt (4). Dazu gehört auch das Zeigen der Fotos. Der Demoanmelder hat gegenüber den Medien erklärt, dass er die Auflagen akzeptieren werde und angesichts der Situation im Nahen Osten auf den Klageweg verzichte. Das Rekurrieren hat auf Bestimmungen gegen Volksverhetzung und die Störung der öffentlichen Ordnung hat für den Gesetzgeber verschiedene Vorteile. Da die bestehenden Gesetze angewendet werden, kann das Verbot sofort in Kraft treten. Die von Bosbach zunächst in die Diskussion gebrachte Verschärfung der Terrorismusgesetzgebung hingegen hätte selbst unter günstigsten Bedingungen einige Wochen gedauert. Außerdem zweifeln Juristen daran, ob die Anwendung von Terrorismusbestimmungen auf die Hisbollah überhaupt rechtlich haltbar ist. Denn anders in den USA und Israel gilt die schiitische Organisation in Israel und den USA, nicht aber in Europa als terroristische Organisation. Damit begründete die Polizei auch, warum sie bisher gegen das Zeigen der Fotos bei Demonstrationen nicht eingeschritten ist und sich im Gegenteil noch bei den Demonstrationsanmeldern für die kooperative Haltung bedankt hatte. Allerdings fordern Unionspolitiker weiterhin, die Hisbollah künftig auch in Deutschland zur terroristischen Organisation zu erklären. Dem stimmt auch Berlins FDP-Chef Löning ausdrücklich dazu. Jenseits der juristischen Auseinandersetzungen gilt es aber auch im propalästinensischen Spektrum durchaus Diskussionen über die politische Sinnhaltigkeit, auf Deutschlands Straßen Hisbollah-Bilder zu zeigen. Vor allem säkulare arabische und palästinensische Aktivisten waren in der Vergangenheit immer bestrebt, in Berlin lebende jüdische Aktivisten für gemeinsame Aktionen zu gewinnen. Im Arbeitskreis Nahost (5) gibt es eine Organisation, in der die Zusammenarbeit jahrelang praktiziert wurde. Die jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden (6) setzt sich für einen solchen Dialog ein. Daran soll bei künftigen Demonstrationen wieder angeknüpft (7) werden. Das ist auch dringend notwendig. Durch strafrechtliche Maßnahmen können zwar unter Umständen bestimmte Symbole von der Straße ferngehalten werden. Aber die wachsende Entfremdung zwischen Menschen mit arabischen und jüdischen Hintergrund lässt eine Zusammenarbeit notwendig werden, die auch unterschiedliche Sichtweisen zum Nahostkonflikt stehen lassen kann. Was binationale Organisationen wie Taayush (8) in Israel vormachen, sollte auch in Deutschland möglich sein.
LINKS
(1) http://www.netzeitung.de/spezial/kampfgegenterror/429063.html (2) http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2003/2003_121/04.html (3) http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/anti-israel-demo/69545.asp (4) http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/03.08.2006/2693144.asp (5) http://www.aknahost.org/ (6) http://www.juedische-stimme.de/ (7) http://www.taz.de/pt/2006/08/02/a0194.1/text.ges,1 (8) http://www.taayush.org |