Linkszeitung vom 16.3.06Weniger Illusion und mehr Aktion - «Globale 06» war für die Nüchternen Von unserem Korrespondenten Peter Nowak Berlin (LiZ) - Als globalisierungskritisches Filmfestival hat sich die "Globale 06" verstanden, die am vergangenen Mittwoch begonnen hat und morgen (Donnerstag) zu Ende geht. Doch wer das Programmheft durchgeblättert oder sich ins Kulturhaus Acud in Berlin-Mitte begeben hat, merkte schnell, dass die Bezeichnung Filmfestival viel zu vorsichtig war. Medienfestival wäre da schon die bessere Bezeichnung gewesen. Denn neben einem ambitionierten Filmprogramm fanden Workshops und Diskussionsrunden, sowie bundesweite Treffen von unterschiedlich engagierten Medienaktivisten großes Interesse. Auffällig war die starke Beteiligung von Besuchern aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem Ausland. So hat es die Globale im dritten Jahr ihres Bestehens geschafft, zum Treffpunkt eines kritischen Medienaktivismus zu werden. Es ist wahrscheinlich, dass sie bald Nachahmer finden wird. Viele der Teilnehmer planen ähnliche Veranstaltungen in den Städten, aus denen sie kommen. Die Globale hat es geschafft, die aktuellen Veränderungen im Bereich des Videoaktivismus zu thematisieren und zu reflektieren. Dabei widerstanden die Referenten in den einzelnen Veranstaltungen dem Fehler, die neuen Entwicklungen zu dämonisieren. Andererseits sind sie nicht in blinde Euphorie verfallen. Schließlich haben viele noch die Verheißungen einer demokratischeren und gerechteren Welt, die das Internet bringen sollte, im Ohr und Blick. Daher geht man nüchterner an den in den vergangenen Jahren zunehmenden Videoaktivismus heran. Die technischen Entwicklungen in jüngster Zeit machen es möglich, dass immer mehr Menschen ihr eigenes Video drehen und ins Internet stellen können. Die Zeit der Videoblogs hat begonnen. Das nötige technische Wissen dazu wird im Internet so angeboten , dass man es ohne Vorkenntnisse verstehen und anwenden kann. Nach dem Ende der Illusionen Ein Traum der Videoaktivisten der ersten Stunde wird also Wirklichkeit. Doch die Ernüchterung ist schon eingetreten. So werden sich bald unzählige Videos im Internet finden, die intimste und äußerst private Dinge festhalten. Obwohl sie im Netz zugänglich sind, werden sie nur für wenige Leuten von Interesse sein. Darin wird sich in Zukunft der Mainstream des Videoaktivismus erschöpfen. Der leicht subversive Unterton, der den Begriff in den Anfangsjahren noch umgab, gehört der Vergangenheit an. Die Überzeugung von Anhängern der These, dass massenhafter Videoaktivismus per se eine große Gegenöffentlichkeit erzeugt, wird von der Wirklichkeit genau so widerlegt, wie die Ansicht derjenigen, die mit dem Internetzeitalter die Hoffnung auf eine demokratischere Gesellschaft verbunden haben. Die meisten von denen, die noch den Grundsätzen des Videoaktivismus der Anfangsjahre verpflichtet sind, fanden sich auf der "Globale 06" wieder. Man konnte dort feststellen, dass die Zeit der Euphorie und der Illusionen zwar vorbei ist, dafür jetzt aber ein angenehm nüchterner Ton herrscht. Möglichkeiten der politischen Intervention werden auf unterschiedliche Weise durchaus genutzt. So nahmen Filme der Arbeitswelt vor allem aus China und Indien einen großen Stellenwert auf der Globale ein. Die Globale war auch Ausgangspunkt für einige Protestaktionen. Ein Film über die Folgen der Wasserprivatisierung wurde etwa vor der Zentrale der Berliner Wasserbetriebe aufgeführt. Unverständlich nur, dass sich die Organisatoren dazu einen Sonntagabend ausgesucht hatten. In der Fachsprache der Videoaktivisten heißen solche öffentlichen Filmvorführungen "Public-Screenings". Es bleibt zu hoffen, dass die Organisatoren einen langen Atem haben und auch in den nächsten Jahren eine Globale organisieren. Denn sie ist der richtig Ort, um in der Ära des realen Video- und Medienaktivismus den Geist der Anfangsjahre dieser Bewegung lebendig zu erhalten, kritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln. |